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Wie alles begann...

Sommer '97

Wir saßen im Wohnmobil, das viel zu schnell durch die kleine Siedlung sauste. Mit großen Schlenkern an parkenden Autos und Motorrädern vorbei.
Mein Papa fuhr uns immer auf diese Weise in den Kindergarten. B, mein Bruder, und ich lachten so sehr, dass wir Tränen in den Augen hatten. Wir hielten uns am Tisch fest, um nicht hinzufallen. Die Fahrt dauerte keine fünf Minuten, aber war trotzdem immer ein großes Highlight.


Man hätte sicherlich auch zu Fuß gehen können, aber Papa wusste, dass wir es liebten. Diesen kleinen Luxus einmal am Tag gönnten wir uns.

Papa gab uns beiden einen Schmatzer und lächelte uns an, als wir unbeholfen aus dem Wohnmobil stolperten. Sein Oberlippenbart war lange nicht rasiert worden und seine hellblauen Augen wirkten glasig.


Wer denkt, ein Kind merkt nicht, dass irgendwas falsch läuft, ist ziemlich naiv. Kinder können vielleicht nicht so gut zwischen den Zeilen lesen, aber Gefühle können sie doch erkennen.  Es ist in etwa vergleichbar mit Hunden: Sie verstehen es vielleicht nicht, aber merken es meist vor allen anderen.


Also ging ich nochmal zurück und nahm ihn fest in den Arm. Die Jeansjacke roch nach Zigaretten und war schon sehr verbraucht. Vielleicht war dies auch einfach der Style der Neunziger. Er ging mir mit der Hand durch die Locken, die mit vielen rosa Spangen in alle Richtungen fixiert waren. "Beeil dich, B ist sonst gleich bockig." Waren da Tränen in seinen Augen?


Ich huschte davon, fasste meinen Bruder bei der Hand und wir rannten zusammen auf den Spielplatz, wo die anderen schon warteten.

​

Das war das letzte Mal, dass ich meinen Vater für zwölf Jahre sehen würde.

© Bianca

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